Antigone - Historie

Antigone - Das Anti-Gewalt-Online-Netzwerk (2001-2005)

 

Das Anti-Gewalt-Online-Netzwerk war seinerzeit eine sehr erfolgreiche Linkliste mit Links zum Thema "Gewalt" in allen ihren Facetten.

Hier konnten sich User informieren und gleich passende Links zum Thema finden, zum Beispiel zu gemeinnützigen Organisationen, Beratungsstellen usw.

Der Grund, warum Antigone - Das Anti-Gewalt-Online-Netzwerk - ins Leben gerufen wurde

 

Es war das Jahr 2001. Ich war gerade seit einem Jahr am Abendgymnasium Borken/Bocholt, um mein Abitur nachzuholen. Als ich mich seinerzeit mit Eintritt der Volljährigkeit aufgrund persönlicher Umstände vom Gymnasium abmeldete, war das nach damaligem Ermessen die richtige Entscheidung. Trotzem tat mir die Entscheidung recht schnell leid.

Als es mir meine Berufstätigkeit Jahre später erlaubte, abends mein Abitur nachzuholen, ergriff ich diese Gelegenheit sofort. Ich dachte aber auch daran, dass es viele Teile auf der Welt gab, in denen Kinder nicht einmal die Chance auf den Ersten Bildungsweg hatten, einfach, weil es keine Schule in der Nähe gab oder weil sie die Familienarmut gemeinsam mit ihren Eltern durch Arbeit bekämpfen mussten, ohne dadurch Zeit zu haben, eine Schule zu besuchen.

Ich empfand eine tiefe Dankbarkeit für das Glück, in einem tollen Land zu leben. Hier haben wir die Chance, eine Entscheidung zu revidieren und - nachdem wir die erste Schulchance aus welchen Gründen auch immer nicht weiter verfolgen konnten oder wollten - auf dem Zweiten Bildungsweg alles wieder gut zu machen und das Abitur - und damit den Schlüssel für eine Universität - zu erlangen.

Man muss sich das vorstellen: Wir schmeißen große Träume macnhmal hin, weil wir eine andere Entscheidung treffen, nur weil wir in der glücklichen Lage sind, zu einem späteren Zeitpunkt mit einer anderen Einstellung die Chance wieder aufzugreifen und das einstige Ziel doch noch zu verwirklichen. In anderen Teilen der Welt haben die Kinder auch Träume. Auch sie träumen davon, die Welt zum Besseren zu verändern, indem sie Ärzte oder Architekten werden. Und doch werden diese Träume in der Regel Schäume bleiben,weil sie nicht einmal die Möglichkeit haben, auf dem Ersten Bildungsweg eine grundlegende Schule zu besuchen, in der sie zumindest schon einmal Lesen, Schreiben und Rechnen lernen.

Ich war zutiefst dankbar und beschämt über so viel Glück und wollte der Welt etwas zurückgeben. So gründete ich damals das "Long-Journey-Project". Der Name basiert auf einem Songtitel der von mir absolut geschätzten deutschen Soul- und Gospelsängerin Inga Rumpf: "Long is the Journey".

Ich wollte aus Dankbarkeit etwas tun, das den anderen Teilen der Welt zugute kommt, also Spenden einsammeln. Ich überlegte mir, was ich sehr gut konnte. Da kam mir das Ausauerwandern in den Sinn. Ich war ein Mensch, der gerne lange und ausdauernd wandert. Diese Fähigkeit wollte ich verbinden mit einer Aktion, die Spendengelder für die Kindernothilfe e.V. einbringen konnte. Die Kindernothilfe ermöglicht Kindern in allen Teilen der Welt, wo es notwendig scheint, durch Patenschaften und Spendengeldern, eine Schulausbildung zu erlangen. Das wollte ich unterstützen. Jetzt brauchte ich nur einen Aufhänger, um mein Projekt auch vermarkten zu können. Einfach nur durch Deutschland irgendwo zu wandern, brachte noch keine Spenden ein. Ein Weltrekordversuch musste her.

So wurde "The-Long-Journey-Project" der Versuch, einen Wanderweltrekord aufzustellen, indem ich von Raesfeld (wo ich damals noch wohnte) nach München wanderte - und zwar in 7 Tagen. Ich trainierte täglich und rührte ordentlich die Werbetrommel in Funk und Lokalpresse. Die Kindernothilfe war einbezogen und hatte schon eine Spendenkontonummer bereitgestellt, denn mit Geldern wollte ich - auch treuhänderisch - nichts zu tun haben. Die Menschen sollten direkt an die KNH spenden. Im September 2oo1 wollte ich zu einem Probemarsch starten, um die Strecke überhaupt schon einmal zu testen, damit ich nicht ganz unvorbereitet den Rekordversuch startete.

Mein Abmarschtermin - der 10. September 2001 (!!!) - wurde ebenfalls von der Lokalpresse dokumentiert. Ich startete am Raesfelder Schloss und marschierte voll bepackt gen Ruhrgebiet. In Marl übernachtete ich und startete anderntags Richtung Castrop-Rauxel weiter. Als ich von dem Marsch pappfertig und durchgeschwitzt in Castrop-Rauxel in einem Hotel ankam, lief in der Lobby der Fernseher und einige Männer starrten gebannt auf die Bilder, die dort liefen: Zwei New Yorker Hochhäuser stürzten nach einer Explosion ein. Ich brauchte einen Moment, um zu realisieren, dass das kein Actionfilm, sondern die Realität war. Als mir das bewusst wurde, brach ich auf dem Zimmer psychisch zusammen. Ich war schockiert. Ich wollte alles abblasen, weil ich es nach diesem Ereignis für pietätlos hielt, zu wandern, während am anderen Ende der Welt mehr als 3000 Menschen plötzlich ihr Leben verloren. Das Telefonat mit einer lieben Freundin überzeugte mich davon, weiterzumachen.

Ich ging also täglich weiter, war aber psychisch stark angeschlagen. So war an rekordverdächtige Tagestrecken nicht zu denken. Aber das war ja auch noch nicht der Rekordversuch, sondern ein Testmarsch. Ich kam durch Hagen, durch Teile des Sauerlandes, durch Hessen und endete in Gießen mit Schmerzen im Knie.

Nichts ging mehr, ich konnte keinen Schritt mehr laufen. So musste ich abbrechen und mit dem Zug zurück nachhause fahren. Eine ärztliche Untersuchung bestätigte es mir: meine damalige Sportverletzung in der Jugendzeit hatte mich das Kreuzband gekostet, jetzt war es ganz weg und damit das Knie fortan instabil. Bei längeren Belastungen reibt sich das Gelenk zu sehr und "läuft heiß", wie ich es in meinem Laienjargon auszudrücken pflege. Unter diesen Umständen war an einen Rekordversuch nicht mehr zu denken. Ich hätte - um die Strecke in diesem Zeitraum zu schaffen - jeden Tag zwischen 80 und 100 Kilometer zurücklegen müssen. Mit dem Knie konnte ich das vergessen.

Ich informierte die Presse und blies das Projekt ab. Trotzdem wollte ich etwas tun, um mich ehrenamtlich zu engagieren. So suchte ich nach einer Möglichkeit, mich von zuhause aus leidenschaftlich zu betätigen, ohne das Knie zu beanspruchen.

Das war die Geburtsstunde von Antigone - Das Anti-Gewalt-Online-Netzwerk. Mit großer Leidenschaft und viel Zeitinvestment gründete und pflegte ich (täglich!) dieses Onlineprojekt. In den Suchmaschinen war Antigone alsbald ganz oben gelistet.

Dann hatte ich das Abitur in der Tasche, begann mein Studium und geriet - mittlerweile in Osnabrück - schnell an meine Zeitgrenzen. So gab ich das Antigone-Projekt schweren Herzens auf, habe es aber nie vergessen können. Antigone war "mein Baby". Da steckte mein Herzblut drin. 

Jetzt habe ich wieder ein paar Zeitkapazitäten frei und beschloss, Antigone wieder ins Leben zu rufen. Auf dass die Seite schnell wieder so erfolgreich wird wie die erste Antigone-Seite.

 

Ich glaube feste daran - und den Rest, den müssen wir alle zu diesem Netzwerk beitragen.

 

Herzlichst, Ihre Sigrun Hopfensperger